here ≠ there : Ein Rücklblick

Foto: Peter Hoffmann Schoenborn

Auftakt

Am 13.11.2025 fand die Premiere der zeitgenössischen Tanzperformance Here ≠ There im Kulturzentrum Pavillon statt. Die Choreografie und künstlerische Leitung lagen in den Händen von Mónica García Vicente.

Das Premierenkribbeln lag spürbar in der Luft. Ich ging ohne große Erwartungen hinein, wurde aber schon beim Betreten des Saales neugierig: Es war nahezu stockdunkel, nur ein paar Handylichter durchbrachen die Schwärze. In der Mitte der Bühne leuchtete eine „Weltkugel“ und das Publikum wurde eingeladen, die Bühne zu betreten und sich umzusehen. Schnell stellte sich heraus: Die Welt war eine Person, eingehüllt in einen aufblasbaren Überzug in Form der Erde, zusammengekauert auf dem Boden. Was sollte das bedeuten?

Die Aufführung

Als alle ihren Platz gefunden hatten, begann die Performance. Die Tänzer Levente Bálint und Davide Sioni betraten den Raum, jeweils mit Smartphones in der Hand. Obwohl sie sich geschmeidig durch den Raum bewegten, wirkten sie gefangen in ihren leuchtenden Bildschirmen. Sie tanzten umeinander, ohne sich wirklich zu begegnen. Ihre Bewegungen wurden zunehmend hektisch, verzweifelt, irritiert – und plötzlich verschwanden die Handys.

Das Bühnenlicht wechselte in helle Streifen, die Tänzer waren nur noch Silhouetten. Und dann… hörten wir Memes. Wirklich Memes. „Ich muss raus“, „Was ist denn hier los?“, „… I doubt it.“ Ein paar Lacher gingen durchs Publikum. Ein unerwartet witziger Moment. Gleichzeitig wirkten die Tänzer nun, als wären sie in ihren Smartphones gefangen, ihre Bewegungen wirr, fast so, als würden sie ununterbrochen von einem TikTok-Tanz in den nächsten gezappt werden. Die Geräusche kulminierten zum Höhepunkt, bis beide erschöpft zusammenbrachen.

Als sie einander schließlich bewusst wahrnahmen, versuchten sie, sich die Hand zu reichen, doch jedes Mal zog einer zurück wie ein scheues Reh. Die Spannung dieses „Fast-Berührens“ war so greifbar, dass man am liebsten selbst auf die Bühne gegangen wäre, um die Hände zusammenzuführen. Als es schließlich doch gelang, war die Erleichterung deutlich spürbar.

Dann erschien eine Sängerin im Zuschauerraum, blickte zur Bühne, wo Davide Sioni wieder an seinem Platz stand und was dann folgte, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken: wunderschöner Operngesang, der wie ein Dialog zwischen Gesang und Tanz wirkte. Für mich der eindrucksvollste Moment des Abends.

Auch Levente Bálint kehrte zurück. Kriechend, mit einem übergroßen Rucksack in Form der Erde. Er kämpfte damit, sich aufzurichten, bis schließlich beide Tänzer gemeinsam die Last der Welt schultern und sich durch den Raum bewegen. Gegen Ende übernimmt die Sängerin wieder die Rolle der Erde, nimmt den Rucksack an sich und hängt mehrere Handys an Seilen von der Decke. Ihre grellen Bildschirme pendeln wie kleine Sterne im Raum, während die Tänzer um sie herumwirbeln. Ein fast kosmisches Bild. Die beiden blicken zufrieden auf das Szenario, verbunden und offen für die Welt.

Nachgespräch

Nach der Performance fand ein dreißigminütiges Publikumsgespräch statt. Ich fand es großartig, wie niedrigschwellig man ins Gespräch kam und wie sehr dabei auch Gewerke wie das Lichtdesign oder Kostüm in den Fokus rückten. Vicente erklärte, dass der zentrale Aspekt des Projekts die Hoffnung sei, wobei dies offen für unterschiedliche Interpretationen sei. Für mich war es die Hoffnung auf echte Begegnung und auf ein bewussteres Wahrnehmen unserer Welt.

Dass die Erde sowohl am Anfang als Figur als auch später als Rucksack erscheint, wirkt wie ein symbolischer Kreislauf. Wir tragen die Welt mit uns, und sie trägt uns. Die Kostümbildnerin Romina Medrano sagte dazu passend: „Wir sind alle Rucksäcke.“ Wir tragen Emotionen, Probleme, Krisen und Erfahrungen mit uns herum. Doch gemeinsam wird es leichter.

Im Gespräch wurde außerdem klar: Here ≠ There will nicht gegen Technologie polarisieren. Sie ist Teil unseres Alltags, unseres Lebens, manchmal sogar unserer Körper. Das Gespräch streifte sogar das Thema Cyborgs – nerdig und witzig zugleich, aber überraschend relevant.

Nachklang

Wie man merkt, hat mich Here ≠ There gleichermaßen berührt, überrascht und nachdenklich gestimmt. Die Mischung aus Licht, Gesang, Tanz (und die Memes) hat mich begeistert. Wenn ihr Lust habt, euch selbst inspirieren zu lassen, schaut unbedingt in einer der nächsten Vorstellungen vorbei.

Termine: 

19./20./25./26. November ab 19:30 Uhr im Kulturzentrum Pavillon 

01./02. Dezember ab 19:30 Uhr im Theaterhaus Hildesheim

Künstlerische Leitung / Choreografie – Mónica García Vicente

Tänzer – Levente Bálint und Davide Sioni

Musik / Komposition – Melissa Wedekind

Produktionsleitung – Yara Eid

Dramaturgie – Carolin Schaefer

Kostüm – Romina Medrano

Bühnenbild / Lichtdesign – Kristina Schmidt

Technik – Fabian Esch

Social Media / Video – Laura Nicole Viganó

Grafik – Maïté Müller

Fotos – Peter Hoffmann-Schoenborn

Gefördert durch – Landeshauptstadt Hannover Kulturbüro, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Stiftung Niedersachsen, Sparkasse Hildesheim Goslar Peine, Stiftung Edelhof Ricklingen – V. J. V. Der Osten

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