Gedanken zu „Babo – Die Haftbefehl-Story“

Auch ich habe gerade die neue Haftbefehl Dokumentation geschaut, die gerade in aller Munde ist. Ich habe sie angeschaut als eine Person, die gar kein Fan von Haftbefehl ist, geschweige dessen überhaupt Deutschrap hört. Natürlich habe ich schon von Haftbefehl gehört und “Chabos wissen wer der Babo ist” ging auch nicht komplett an mir vorbei. Ansonsten bin ich aber wahrscheinlich nicht diejenige, von der man ein Review zu dieser Dokumentation lesen würde. 

Als Doku-Freak habe ich mich trotzdem in einer Art Kurzschlussreaktion vor den Fernseher gesetzt und eingeschaltet. Da ich überhaupt erst durch die Sozialen Medien von der Doku erfahren habe, hatte ich leider schon die ersten Reaktionen von zig Tiktoks, Reels usw. in meinem Kopf während ich die Geschichte von Aykat Anhan, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, verfolgt habe. Die Stimmen lassen sich für mich in zwei Lager teilen. Die einen, die schockiert sind von seiner Lebensgeschichte und vor allem seinem Drogenkonsum. Der Vater, der sich das Leben genommen hat, als Aykut gerade einmal 14 Jahre alt war. Aykut, der zuvor den ersten Selbstmordversuch seines Vaters mit ansehen musste und sogar mit eigenen Händen verhinderte. Das Koksen, das bereits mit 13 Jahren seinen Lauf nahm. Im Mainpark, einer Hochhaussiedlung in Offenbach am Main. Wie verändert er aussieht, gleich in der ersten Szene vor dunklem Hintergrund auf einem ebenso dunklen Sessel. Aufgedunsen, die Nase eingefallen, Stimme röchelnd. Symptome seines ungebremsten Drogenkonsums. Das alles, wie gesagt, zum Erschrecken der Fans. 

Dann das zweite Lager. Die Stimmen, die sagen “mein Gott, das war doch klar”. Und irgendwie ist da sicherlich was dran. Ich meine, jemand, der seit mehr als 20 Jahren Drogen nimmt… Das geht erstens nicht spurlos am eigenen Körper vorbei und bestimmt auch nicht an Freunde und Familie. Die Kindheitstraumata, die er mit voller Ehrlichkeit in seinen Songs aufarbeitet. Dem geht’s nicht gut. Aber nur, weil er ein gefeierter Künstler ist, müssen wir jetzt alle darüber sprechen? Geht nur einmal um den Bahnhof rum, da könnt ihr sowas jeden Tag mit angucken. 

Meine Meinung ist, dass wir genau solche Dokumentationen und Biografien brauchen. Geschichten, die die Wirklichkeit abbilden und die reflektiert erzählen, wie es wirklich gewesen ist. Wer kann den 13-Jährigen Teenagern von heute besser die altbackene Schulmoral “Keine Macht den Drogen” vermitteln, als Hafti höchstpersönlich. Generationales Trauma, in der Doku veranschaulicht wie direkt aus dem Fachbuch. Nach eigenen Aussagen sei Aykuts Vater während 8 Jahren Fußballtraining nicht zu einem einzigen Spiel gekommen, während seine eigenen Kinder mit ansehen müssen, wie Aykut komplett neben der Spur nach Hause stolpert (wenn er denn mal zuhause ist). Seine Frau Nina, die wohl die stärkste Person in der gesamten Dokumentation ist und so vieles schlucken musste. Auch ihr wurde durch die Filmaufnahmen Gehör geschenkt, ist sie doch sonst “nur” stille Mutter, Begleiterin, Fürsorgerin. 

Und natürlich ist Aykut Anhan kein “besonderer” Fall. Wir haben diese Story vom emotionalen Wrack wegen einer leidvollen Kindheit, der sich zum Star hochkämpft und an seinem Ruhm und Drogenkonsum scheitert schon tausendmal gehört. Dass die Plattenlabels trotzdem noch Konzerte buchen, obwohl ihr größter Star hinter der Bühne fast verreckt, ist leider auch nichts Neues. Und diese “Wracks” begegnen uns überall in unserem Alltag und wenn wir gerade nicht in der Stimmung sind, verschließen wir gerne die Augen vor so viel Elend. Ich denke wir sollten hingucken, denn die Doku zeigt doch sehr eindrücklich wie der Absturz aussehen kann. An dieser Stelle kann man Hafti nur wünschen, dass es für ihn wieder bergauf geht. Aber nicht mit seiner Star-Karriere, sondern vor allem mit seinem Körper und seiner Seele.